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Sitzverlegung – und der Wechsel des beklagten Finanzamts

Aufgrund der Sitzverlegung einer klagenden GmbH erfolgt kein Wechsel des beklagten Finanzamts.

§ 63 FGO bestimmt, welche Behörde am finanzgerichtlichen Verfahren als Beklagter (§ 57 Nr. 2 FGO) zu beteiligen ist. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO ist die Verpflichtungsklage regelmäßig gegen diejenige Behörde zu richten, die den beantragten Verwaltungsakt unterlassen oder abgelehnt hat. Das gilt nur dann nicht, wenn vor dem Ergehen der Einspruchsentscheidung eine andere Behörde örtlich zuständig geworden ist (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder an Stelle der zuständigen Behörde berechtigterweise eine andere Behörde den beantragten Verwaltungsakt abgelehnt hat (§ 63 Abs. 3 FGO). Ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor.

Wird nach Erhebung der Klage eine andere Finanzbehörde für den Steuerfall zuständig, bleibt die prozessuale Stellung der beklagten Behörde hiervon grundsätzlich unberührt. Ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel findet jedoch statt, wenn der Zuständigkeitswechsel auf einem behördlichen Organisationsakt beruht; in diesem Fall tritt das nunmehr zuständige Finanzamt als neuer Beklagter in den anhängigen Rechtsstreit ein.

Letzteres gilt jedoch nicht, wenn der Zuständigkeitswechsel durch eine Veränderung der steuerlich bedeutsamen Verhältnisse des Klägers bedingt ist.

So liegen die Dinge im Streitfall, in dem die behördliche Zuständigkeit gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 2 AO deshalb gewechselt hat, weil die Klägerin ihren Sitz im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens verlegt hat. Die Beteiligtenstellung des Finanzamt K, das die durch die Klägerin beantragte Änderung abgelehnt hat, blieb unberührt.

Diese Rechtslage hatte das Finanzgericht in dem hier vom Bundesfinanzhof aufgehobenen Urteil nicht hinreichend berücksichtigt. Es durfte über die Klage gegenüber dem nicht passiv prozessführungsbefugten Finanzamt S nicht zur Sache entscheiden.

Der Bundesfinanzhof weicht damit nicht von dem Urteil in BFHE 220, 495, BStBl II 2008, 742 ab. Zwar kann nach dieser Entscheidung die mangelnde Prozessführungsbefugnis durch die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des richtigen Beklagten zur Prozessführung jederzeit -also auch noch während des Revisionsverfahrens- geheilt werden. Doch betraf dies eine Situation, in der das bei Anhängigkeit passiv prozessführungsbefugte Finanzamt, welches aufgrund einer Veränderung in der Verwaltungsorganisation unzuständig wurde; vom Finanzgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung weiterhin als Beteiligter angesehen wurde. So verhält es sich im Streitfall, in dem das Finanzgericht einen gesetzlichen Beteiligtenwechsel angenommen und den Beklagten „ausgetauscht“ hat, nicht.

Die Prozessführungsbefugnis der beklagten Behörde ist eine Sachurteilsvoraussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens, deren fehlerhafte Beurteilung durch das Finanzgericht einen Verfahrensmangel darstellt. Das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen hat der BFH als Revisionsgericht von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen.

Die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts war deshalb ohne Sachprüfung aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zur erneuten Verhandlung (mit dem ursprünglichen Beklagten, dem Finanzamt K) und Entscheidung zurückzuverweisen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Dezember 2015 – I R 3/15

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